Mehr als 100 Persönlichkeiten aus Bildung, Kunst, Literatur, Wirtschaft, Philosophie und Sport haben einen offenen Brief an die Staats- und Regierungschefs der EU gerichtet, um das bedrohte Erasmus-Programm, das EU-Austauschprogramm für Studierende, zu unterstützen. Die Unterzeichner, zu denen unter anderem der spanische Filmregisseur Pedro Almodóvar, der Präsident des FC Barcelona Sandro Rosell, der Nobelpreisträger Christopher Pissarides und mehrere Olympiasieger zählen, kommen aus allen Mitgliedstaaten der EU. Sie reagieren auf Befürchtungen, dass die Zahl der Plätze für Studierende sowie die Stipendien im Zuge des Streits um die EU-Haushaltspläne 2012 und 2013 möglicherweise drastisch gesenkt werden müssen. Das Programm verzeichnet bereits in diesem Jahr ein Defizit von 90 Mio. EUR, und es wird befürchtet, dass die Lage sich 2013 weiter verschlimmert. Erasmus hat es in den letzten 25 Jahren fast drei Millionen jungen Europäerinnen und Europäern ermöglicht, im Ausland zu studieren. Seit einiger Zeit werden mit dem Programm auch Unternehmenspraktika im Ausland gefördert. Eine ganze Generation hat so erfahren, was es bedeutet, mit Menschen aus anderen Kulturen zu leben und zu arbeiten, und sich zugleich die Kenntnisse und Fertigkeiten angeeignet, die heute auf dem Arbeitsmarkt unerlässlich sind.
Wenn das Erasmus-Budget in den Jahren 2012/2013 nicht ausreicht, um die Zusagen einzuhalten, die den Studierenden auf Grundlage bereits vereinbarter Verpflichtungen gegeben wurden, dann werden – so die Unterzeichner des Briefes – möglicherweise Tausende von jungen Menschen die Chance auf eine Erfahrung verpassen, die ihr Leben verändern könnte.
Diese Probleme des Programms hätten kaum zu einem ungünstigeren Zeitpunkt für die jungen Europäerinnen und Europäer kommen können. Seit Beginn der Krise ist die Arbeitslosigkeit bei den 15- bis 24-Jährigen um 50 % gestiegen, so dass heute jeder fünfte junge Europäer – insgesamt über 5 Millionen – keinen Arbeitsplatz hat.
Die Unterzeichner des Briefs fordern Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung, die im Mittelpunkt der Reaktion Europas auf die Krise stehen muss. Sie unterstreichen, dass die Kommission im Rahmen des neuen Programms „Erasmus für alle“, das 2014 starten soll, noch mehr Möglichkeiten für junge Menschen schaffen möchte, neue Kompetenzen zu erwerben und ihre Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern.
Der Brief schließt mit einem Aufruf: „‚Erasmus für alle‘ wird weniger als 2 % des gesamten EU-Haushalts kosten. In den nächsten Wochen können Sie, die Staats- und Regierungschefs der EU, die wegweisende Entscheidung treffen, das neue Programm anzunehmen und mit den nötigen Mitteln auszustatten. Unsere Jugend verdient diese Unterstützung. Unsere Zukunft hängt davon ab.“
Androulla Vassiliou, EU-Kommissarin für Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend, begrüßte die Veröffentlichung des Schreibens: „Seit 25 Jahren steht Erasmus für prägende Erfahrungen und erweiterte Perspektiven. Das soll noch lange so bleiben! Die Krise hat die jungen Menschen besonders hart getroffen. Sie brauchen unsere Unterstützung mehr denn je. Ich bin stolz und freue mich, dass so viele Menschen so unterschiedlicher Herkunft ihre Unterstützung für Erasmus erklären.“